ZeichnenLernen Einführung

Montag, 8. August 2011

Zeichnen - Das Handwerk (historisch)


Ich bin kein Kunstwissenschaftler und auch kein Pädagoge. Daher ziehe ich gern alte Lehrbücher zu Rate, von denen ich auch Abbildungen übernehme,
soweit sie frei von Rechten sind.

Wer meint, er könne hier profitieren, der sei herzlich eingeladen. 

Teil I:
Über die grafischen Mittel der Zeichnung. 
Die Gliederung lehnt sich an Joseph Meder " Die Handzeichnung" an.
Wer Genaueres braucht findet das sicherlich im Internet

Die Liste:
1. Federzeichnung
2. Lavieren
   Metallstiftzeichnungen
3. Kohle und Kreiden
4. Grafit
5. Pinselzeichnung
   Zeichenflächen
   Pergament
   Papiere
A. Weiße Papiere
B. Naturpapiere
C. Geölte und andere präparierte Papiere
D. Chinesische und japanische Papiere
Joseph Meder "Die Handzeichnung"

Die Einleitung seines umfassenden Buches  (850 Seiten)
(die Abbildungen konnte ich nicht berücksichtigen) 

"Seit den primitiven zeichnerischen Äußerungen frühchristhcher Kunst Vorzüge, spielt die Feder die erste und wichtigste Rolle. Sie übernahm als ein handsames, stets bereites graphisches Instrument allmählich alle Funktionen linearer und malerischer Ausdrucksweisen. Sie übertraf alle Arten graphischer Mittel,
entwickelte sich auch nach deren Einführung weiter, überlebte manche von ihnen und erfreut sich noch heute hoher Wertschätzung. Ihre Fähigkeit, Übergänge von der größten Feinheit zu Kraft und Tiefe zu schaffen, die Möglichkeit, Schattierungen durch den Pinsel zu verstärken, sowie die Haltbarkeit der getrockneten Linien — gegenüber den leicht verwischbaren Kohle-, Kreide- und Rötelstrichen— machten Vorzüge aus, die von Malern, Bildhauern und Architekten stets anerkannt wurden. Von dem einen oder anderen Maler wie z. B. A. del Sarto behaupten zu wollen, er hätte, weil sich keine Federzeichnungen finden lassen, dieselben nicht gepflegt, ist ein Irrtum. Ihre Beständigkeit durch Jahrhunderte wechselnder Kunstperioden, Stilrichtungcn und Manieren gewährt ein anregendes Überschauen ihrer reichen Entwicklungsfähigkeit bis zu jenen Höhepunkten, die sie wiederholt durch Kraftnaturen erklommen hat. In ihr erscheinen zeitliche, individuelle und nationale Unterschiede besonders klar und übersichtlich ausgesprochen, so daß wir zwei Meister kaum besser vergleichen können als in diesem persönlichsten Ausdruck, in der Handschrift mit Feder und Tinte. Die Vorteile dieser Erkenntnis liegen offen und es ist für den Forscher nicht gleichgiltig, ob er Rötel- oder Federzeichnungen zu beurteilen hat. Die vielen deutschen Zeichnungen, vor mehreren Dezennien noch unbekannt oder unrichtig benannt, haben heute größtenteils ihre Urheber wiedergefunden, eben weil sie der Mehrzahl nach in dieser charakteristischen Technik ausgeführt erscheinen."

"Italien.
Die Primafederzeichnung setzte stets eine große Schulung und Italien. Sicherheit voraus. Darum empfahl Cennini als Vorübung zuerst das Bleigriffelzeichnen, dessen Fehlstriche sich mit Brotkrumen entfernen ließen, und erst
nach einem vollen Jahre die freie Federübung nach vorausgegangenem Kohleentwurf. Man fing mit einfachen Übungen im Figuralen (eserzio) an, mit Kopien nach guten Vorbildern; dann erst folgten eigene Entwürfe,
Kompositionen (Tocchi di penna, schizzi di Penna, Componimenti schizzati) und schließlich jene ausgeführten, fertigen Vorzeichnungen für Gemälde, welche bei Bestellungen oder Konkurrenzen vorzulegen waren (Bestellzeichnungen).
Wiewohl die Feder zum Klarmacher der Idee in jeder Art darstellender Kunst wurde und die Komposition ihr eigenstes Gebiet bedeutete, liefen nebenbei Bewegungsmotive, Akte, Draperiestudien, Hintergründe, Tier- und Pflanzen-Studien. Vor 1500 treten bereits Landschaften auf.
Gotik.
Die Federzeichnungen der Giotto`sPeriode zeigen noch eine bedächtige Form, gleichmäßige Konturen mit langen, meist vertikal laufenden Parallelstrichen längs der Faltenzüge oder mit sanften Pinselstrichen für die Hauptschatten. Erst später werden kurze, schiefe Schattierungsstriche mit gleichzeitiger Anwendung von Kreuzlagen für die dunkleren Partien angewandt. Persönliche Ausdrucksweisen oder Schulunterschiede sind nicht so leicht bemerkbar; es ist noch die Zeit des korporativen Schaffens von Meister und Gesellen.
Der Maßstab bleibt klein und die Figuren schweben noch in der Oberfläche des Papieres, vielfach ohne jeden Hintergrund.
Frührenaissance.
Mit dem Erwachen der Frührenaissance treten Zeichnungsindividualitäten auf, die in Kontur und Schattierung allerlei Differenzierungen hervorbringen. Es melden sich Schulunterschiede. Die Figuren drängen nach einem
größeren Maßstab und damit nach freierem kräftigen Duktus. In den Konturen beachtet man eine sorgfältig herausgearbeitete kontinuierliche Linie, eine fein durchgefühlte Silhouette nach Bildhauerart, mit angehauchten Lavierungen, die bescheiden auf die Gesamtfläche Rücksicht nehmen. Der Umriß gleicht oft
Drahtkontur.
Drahtlinien. Nur in unvollendeten Zeichnungen kommen pentimentreiche Formen vor. Von dem vorhandenen Zeichnungsmateriale ausgehend, lassen sich hier Fra Angelico, GozzoU, Fra Fihppo, Pollaiuolo, Botticelli, del Garbo und Leonardo in eine Linie stellen.
Der Schluß wird nicht fehlgehen, wenn wir — beglaubigte Zeichnungen fehlen — auch Masolino, Masaccio,"' Castagno mit dieser Technik in Verbindung bringen.
Naturalistischer Kontur.
Die Vorliebe für festgefügte, gut konturierte Figuren wird in Florenz gar bald gestört. Durch eine neue Strömung, die, weil sie formenreicher, bewegter sein wollte, auf den typischen, streng zusammenhängenden Kontur verzichtet und ihre Gestalten und Kompositionen aus lockeren, übergreifenden, schmissigen Federstrichen zusammensetzt, ohne Scheu vor Korrekturen und mit starker Markierung jener Linien, die Bedeutung beanspruchen. Im Kreise Filippinos und Ghirlandaios zeigen sich solche Ansätze und in der Feder-
technik ebenso wie in Silberstiftzeichnungen. In der Schattierung wird zwar die Lavierung nach, Bedarf noch beibehahen, sonst aber der flott schattierende und die ganze Komposition berücksichtigende Federstrich verwendet, der weder eine einheithche Richtung noch Gleichmäßigkeit anstrebt Damit haben wir die beiden Hauptrichtungen des 15. Jahrhunderts angedeutet, von denen die erstere sich zwar noch bis ins nächste Jahrhundert hinein behauptet, infolge der Erfüllung ihrer formalen Aufgaben aber von der zweiten freieren, mehr malerischen Ausdrucksweise abgelöst wird, die bald, insbesondere durch Anwendung neuer Schattierungsprinzipien, lokale Variationen erfährt. (Siehe Teil III, Plastik, Schattierung.)
Kreuzlagen
Schon in dem Momente, als die streng plastische Durchbildung der von Bewegung durchdrungenen Körperformen von der glatten Pinsellavierung zur gelockerten Federschattierung überging, lockerte sich auch der feste Kontur.
Gerade bei Michelangelo, dessen Gestalten von innerem Leben erregt und bewegt erscheinen, findet sich zum ersten Male eine mit bildhauerischer Exaktheit auf dem Wege feiner Kreuzlagen durch.geführte Modellierung jeder Muskelpartie. Dagegen zeigt der Kontur nicht mehr die alte Sorgfalt, wohl aber Unterbrechungen und Risse. Die reich gegliederte und von dem Papiertondurchleuchtete Innenfläche sprengte die alte Geschlossenheit
Michelangelo
  Nach Francesco d'Ollandas Bericht soll er sich wiederholt geäußert haben, er halte es für eine größere Kunst, mit der Feder als mit dem Meisel meisterlich zu zeichnen. In seinen Jugendkopien nach Masaccio und in Aktstudien begegnet uns dieser neue Federstil. Der allezeit von lächerlichem Hochmut erfaßte Rivale Baccio Bandinelli geriet in dem Streben, Buonarroti zu übertreffen, auch hierin nur in herbe Manier, die in weiterer Abfolge durch Passerotti, Francesco San Gallo noch gesteigert wurde. Die Methode, die Körper netzartig zu schattieren, hatten auch Peruginos Schüler angewandt; aber weil die Formvertiefung fehlte, verblieb es bei den leeren Kreuzlagen.
Leonardo und Raffael
  Einen weiteren Fortschritt bildete die glückliche Vereinigung formsicherer Konturen mit einer leichten Parallelschattierung. Leonardos Federentwürfe wirken hier vorbildlich und Raffaels Madonnenzeichnungen der Florentiner Zeit weisen bereits den Höhepunkt formaler Sicherheit und Einfachheit auf. Die weit auseinandergestellten Schattierungsstriche, streng der runden Form entsprechend, erscheinen auf das Notwendigste beschränkt. Als Raffael in Rom große Schule machte, verbreitete sich gerade diese neue
Federtechnik von hier aus über die verschiedensten Teile Italiens, ja selbst, überall befruchtend, über dessen Grenzen hinaus. Giulio Romano trug dieselbe nach Mantua (1524), Meister Rosso nach Frankreich (1530), Pierino
del Vaga nach Genua, doch stets mit lokalen Differenzierungen.

Bislang immer noch Linearzeichnung, erhichen die Konturen auch weiterhin von Einzelnen ihre besondere Sorgfalt. Von Giulio Romano erfahren wir den noch traditionellen Vorgang, wie eine ordentliche Federzeichnung entstehe, und den uns Armenino übermittelt: Zuerst Entwurf und Korrektur bis zur Fertige Stellung, dann Übertragung desselben auf ein zweites Blatt, auf dem alles mit Fleiß- und Sorgfalt ausgezogen wurde.  Daß diese umständliche Prozedur für solide Federzeichnungen traditionell war, darf mit Recht angenommen
werden, aber man gab sich nicht immer damit ab. In diesem Sinne müssen wir die Briefstelle Giulios auffassen, wenn er Pietro Aretino, als man von ihm eine Federzeichnung verlangte, bedauernd klagt, er wisse die Feder jetzt nur schlecht zu führen, weil er das Federzeichnen längere Zeit nichtgeübt habe. Es kam die Mode schwungvoller Eleganz, technischer Fertigkeit, die Zeit der Federvirtuosen. Das römische Manieristentum, das sich mit «leerster äußerlicher Kunstauffassung» begnügte, suchte auch in der Linie, in der damals noch typischen taktischen Begrenzung ausschließlich das Dekorative. Selbst in päpstlichen Kreisen interessierte man sich für derartig entstandene Federzeichnungen. Pius V. brachte Spranger gegen dessen Willen dazu, mit der Feder zu zeichnen, da dieser bis dahin nur mit Kohle und Kreide auf blauem Papier zu arbeiten gewohnt war. «Von diesen
Blättern habe ich einige gesehen,» rühmt Mander «sie waren erstaunlich und meisterhaft mit der Feder gezeichnet und gewaschen.»
Cambiasi.
  Sogar die Kunst virtuosen Konzipierens wurde zu einer sinnlosen Forderung. Von dieser Richtung aus sind Zeichner wie Luca Cambiasi (1527—1585) zu beurteilen, unter dem der Disegno con penna, rein technisch genommen, die virtuoseste, freilich auch die seelenloseste Stufe erreichte. Seine bogengroßen Kompositionen in breiten Rohrfederzügen, oft ohne jede Schattierung, sind typische Beispiele spielender Geschicklichkeit und eines strichgeübten, kraftvollen Handgelenkes. Diese improvisierten Allerweltsblätter machten seinerzeit großes Aufsehen und erfuhren lebhafte Beurteilungen je nach dem Parteistandpunkte. So rühmt Lomazzo den Vorzug dieser Linearzeichnungen (solamenfe lineata), da ihnen hinsichtlich der Proportion die größte Kraft innewohne. Cambiasi
selbst hätte dies vor dem jüngsten Gericht Buonarrotis einigen großen Malern demonstriert und man war tatsächlich der Anschauung, daß die Figuren eines Gemäldes neben solchen Zeichnungen viel von ihrer Kraft einbüßten (Lomazzo, Idea S. 83). Warnend erhebt dagegen Tintoretto seine Stimme: Cambiasis Zeichnungen ruinieren junge Leute, die einer soliden Grundlage in der Kunst entbehren, wenngleich eintüchtiger Praktiker aus ihnen auch mancherlei lernen könne. Sie seien stercore aurum (Ridolfi II, 59; Malv. II, 77). Zu welch abschreckender Manier mit sinnlosen Schnörkeln, ohne jedes Formgefühl, der übertriebene Federkultus um 1550 in Rom führen konnte, bezeugen Zeichnungen des G. B. Franco
Das bravouröse Federzeichnen war um 1800 noch derart in Mode, daß man den Maler Luigi Sabatelli (geb.1773), der nach jedem beliebigen Thema nach Art der Schnellzeichner aus dem Stegreife mit der Feder entwarf, den Beinamen Improvisatore pittorico erteilte.
Obcritalien
  In Ober Italien nahm die Entwicklung der Federzeichnung schon frühzeitig eine andere Richtung. War das Formale auch nicht ausgeschlossen, so zeigte sich vornählich eine ausgesprochene Neigung für den Ausdruck der Er-
scheinung, in Verona hinsichdich alles Stofflichen, in Venedig aller Licht-und Schattenbewegung. Unter Führung origineller Meister wie Pisanello (15S0— 1451) erhob sich an ersterem Orte die alte Feinstricheltechnik
zu einer noch nicht gesehenen Vollkommenheit. Seine Tierstudien im Codex Vallardi erreichten eine miniaturartige Durchbildung mit intensivster stofflicher Betonung. Langfallende, kurzgekräuselte oder struppige Haare werden zu Federproblemen, materielle Unterschiede linear zu beachten.

Venedig.
Die venezianische Malerei ging von allem Anfange an mehr auf das Koloristische, Farbenverschwommene, als auf die Plastik los, daher fiel auch die scharfe, präzise Feder-Zeichnung von selbst weg. Schon Carpaccio setzte seine Konturen nur ruckweise aus kurzen Strichen zusammen und nicht viel anders tat es Giorgione. Man denke sich als Gegenbeispiel Botticellis Manier. Entsprach dies auch teilweise dem kompositionellen Suchen, so lag darin zugleich ein anderes Schauen, das sich konsequent weiter entwickelte und in Tintoretto ungeachtet aller römischen Kritik trotzig durchbrach; freilich weniger in Federzeichnungen, von denen sich nicht viel Beglaubigtes erhalten hat, als in Kohle und Kreide. Deutlicher sehen wir es bei Palma Giovine und Veronese.
Das Druck- und Ruckweise fand seinen stärksten und persönlichsten Ausdruck in den lichtumfluteten Federskizzen G. B. Tiepolos. Kontur und Schatten haben sich völlig in Striche und Flecke aufgelöst und den Helligkeitswerten des Raumes untergeordnet. Guardi und zum Teile auch Canaletto änderten das Prinzip nach ihrer Weise. Zum höchsten Grad chaotischen Strichgewirres fühlte es bei G. B. Piranese.

Bologna. 
Trotz des Eklektizismus, der Verquickung verschiedener Schuleinflüsse, gelangte in Bologna bei den Carraccisten und Nachfolgern die Federzeichnung durch reges Naturstudium und durch die Pflege der Radierung zu einem
eigenen Stil, und zwar im malerischen Sinne. Ganz hatte die Konturlinie ihre Rechte freilich nicht aufgegeben,  nur enthüllte sie im Gegensatz zur alten Gleichmäßigkeit eine schwungvolle Auswertung der mit Empfindung geführten Federspitze. Bald keck und nachlässig, bald sicher und elegant, immer dem Lichte und der Bewegung dienend, führt sie die Formabsichten jedes einzelnen aus. Guercinos reicher Nachlaß an Kompositionen und Studien enthält neben viel Manier auch glänzende Beispiele von Formsicherheit im Primazeichnen. Nach der Zeit technischen Virtuosentums verfällt die Federzeichnung in Mittelitalien einer unreinlichen, unklaren Mache, weil sie sich mit anderen Zeichenmitteln mischt, sich ihnen unterordnet, so daß wir in einzelnen Beispielen kaum zu unterscheiden vermögen, ob Kreide, Rötel oder Feder das Bestimmende sei. Diese wirren, selbst tüchtigen Talenten nicht fremden Manieren, die eine Art Genialität ausdrücken sollten, waren eine Folge der
ins Schwanken geratenen Erkenntnis, daß nicht in der Benützung aller Mittel, sondern in der weisen und stofflichen Ausnützung eines einzelnen, die Vollkommenheit der Zeichnung liege.


Der Norden.In Deutschland und den Niederlanden läßt sich ungefähr derselbe, aber weniger komplizierte Entwicklungsgang feststellen. Nach den im Geiste peinlich schaffender Gotikausgeführten Federzeichnungen, wie sie sich in großen Klosterzentren wie Reichenau, St. Gallen, Salzburg, Regensburg entwickelt, nach den geläuterten Tendenzen graphischer Richtung, wie sie Schongauer eingeführt, Dürer und seine Schule, Holbein und Kranach in Mitteldeutschland, Lucas van Leyden im Norden stilistisch und technisch ausgestaltet hatten, schien es, als ob ihre Aufgabe erfüllt und zu Ende wäre. Die vielseitigen glänzenden Leistungen Dürers, die auf kunstgewerblichem Gebiete hervorgebrachten, scharf konturierten Erfindungen Holbeins (Drahtkontur), großzügig und mit wuchtigen Rohrfederstrichen angelegt, waren Beweise, wie alle Großen die nie erschöpfte Ausdrucksfähigkeit der Feder erkannten und ausnützten, jeder nach seiner Formauffassung und Linienempfindung. Mitbestimmend war allezeit der Zweck. Die Pflege des reinlichen Holzschnittes mit seinen klaren Kompositionen,
der strengen Kupferstichtechnik, die eine wohldisziplinierte Hand erforderte, lieferte alle Vorbedingungen für eine gedeihliche, wenn auch einseitige Entwicklung. Trotz deren Kürze erlebte die Federzeichnung in Deutschland eine
hohe Vollendung voll eigenartiger, durchaus nationaler Formen. Die mehr zeichnerisch als koloristisch schaffende Produktionskraft brachte nicht nur in Bildkompositionen, sondern auch in Teilstudien und Landschaften neue Werte hervor, streng linear und herb, graphisch vereinfacht, wie wenn alles von der Holzschnittechnik seine Formel erhalten hätte. Als Dürer unter italienischem Einfluß in seinen Zeichnungen zum Pinsel griff, um die Plastik deutlicher zu betonen, blieb es doch nur ein Handhaben im Sinne einer Federtechnik. Selbst die freie Natur, das
Blatt am Baume, erfuhr eine Umformung durch den ruhigen Zug der einheitlich zusammenfassenden Feder.
Höchst formelhaft und heimatlich gestaltete sich das Schattieren mit Häkchen, das zu komplizierten System.en
führte und doch die einzig richtige Art war, dem oft herben LImriß plastisches Leben zu verleihen. Zum Teil ob dieser beengten Richtung verfiel die Federzeichnung schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, sie ging wie die Poesie zum Handwerk über und endete in den Werkstätten der Glas-Zeichner als form- und geistlose Manier, Rein technisch genommen, galt die solide schwarze Tuschlinie als bevorzugt, Tinte wurde möglichst gemieden. Auch hier mag der Zweck, das Abklatschen auf Holzstöcke oder andere l^apiere, mitgesprochen haben. Nur in Kompositionen, wo es sich gleichzeitig um eine Tiefenwirkung handelt, greift man neben Tusche im Vorder- und Mittelgrund zu einem Mattbraun (Bister) für den Hintergrund (Dürer L. 29, L. M. 523; ferner Florenz, hl. Katharina, 1517). Ebenso wirken beide Farben in Glasrissen zusammen (Grisaille und Wappen).-


Es läßt sich die Tatsache nicht verkennen, daß nicht nur in Deutschland, sondern auch anderswo gerade die Graphiker der einheitlichen Wirkung halber die Schattierungsschwierigkeiten der Feder umgingen und neue Typen versuchten. So in Frankreich Jacques Callot, der für seine zahllosen kleinen, dem Soldatenleben und den niederen Volksschichten entlehnten Figuren sowie in seinen Radierungen die feine Linie und eine meist vertikale Parallelschattierung anwandte Einzelfiguren oder geistvolle Skizzen zu Kriegs- und Lagerszenen, Aufzügen, tragen als Kinder des Augenblicks diese Technik und atmen bei all der affektierten Zeitpose Leben. Besondere Probleme im Sinne von Beleuchtungsfragen stellte sich Stefano della Bella.

 
Rembrandt.
Weiters erhob sich im Norden die Federkunst nach den kühnen, wenn auch nur vorübergehenden Ansätzen Van Dycks zu einer ungeahnten Höhe, als neue Probleme wie physiognomische Studien und das Eintreten neuer
graphischer Aufgaben in der Radierung ihr reiche Betätigung verhießen. Die sogenannte Rembrandt-Technik, die im wesentlichen auf einer glänzenden Lavierungskunst beruht, soll ihre Erörterung im nächsten Kapitel: «Lavierung» finden. Hier sei nur auf die unzähligen Federskizzen hingewiesen, die in und um Amsterdam entstanden und dem Volke und der Landschaft entnahmen, was vorher kaum eine kunstfertige Hand zu geben versucht hatte. Rembrandt stellte an die Feder die unglaublichsten Anforderungen. Sie schafft gleich
einem Momentapparat nach den Erscheinungen der Straße, aber ebenso gewandt nach den Vorstellungen endlos drängender Bilder aus den Testamenten. Noch in die nassen Züge wischt er mit dem Finger oder dem Federbart. Viele seiner Landschaften, in der Natur entstanden, tragen solche Lavierungsspuren, die nicht auf einen Pinsel schließen lassen. Wie sehr im 18. Jahrhundert die Federzeichnung wohl durch den Einfluß akademischer Vorschriften (Kreide und Rötel) und der immer mehr durchbrechenden Pastellstifte vernachlässigt wurde, bestätigt Levesque in dem Artikel über ,Plume': «Die Feder ist heute im allgemeinen aufgegeben und man kann
die Mißachtung eines solchen Instrumentes, welches in geschickter Hand Werke voll von Charme schafft, nur bedauern.» Auch heute noch, wo Pinsel- und Zeichenstrich nicht breit genug hingesetzt werden können, wo alles auf das großflächige Primaschaffen ankommt, ist die subtile Federzeichnung etwas aus der Mode gekommen und eigentlich nur bei Malergraphikern beliebt (H. Thoma, Klinger).
Federn
kunststücke.
Im Gegensatze zur Künstlerfederzeichnung stehen jene in rein schreibmeisterlicher Art ausgeführten Federkunststücke, von jungen Malern der Übung halber unternommen, oder — der gewöhnliche Fall — von Kupfer-
Stechern herrührend (Jakob Bink, Crispin de Passe, Adriaen Matham, Jan Wierix). Strichgetreue Kopien nach guten Abdrücken oder auch solid bis auf jede Linie durchdachte Vorarbeiten für die Platte selbst, oder direkte Feder-Prunkstücke, welche heute sehr gemischte Geiühle der Bewunderung für zwecklos überwundene Schwierigkeiten hervorrufen. Man stattete derartige Kupferstich-Zeichnungen auch mit zarten Farbtönen aus, die wie z. B. jene des Gius. Palmieri (geb. 1740) «als von großer Schönheit» gerne für Kabinette gekauft
wurden. Bald waren es kleine Fergamentblättchen, welche die Fertigkeit stichmäßiger Zeichnungen im kleinsten Maßstabe bewiesen (Johann Wierix, Etienne de Laulne), bald wieder übergroße Formate, die in glänzender Federtechnik vollendete Kompositionen umfaßten und in den Kunstkammern des 17. Jahrhunderts im gefirnisten Zustande aufgestellt und gezeigt wurden.- Schon Bartolommeo Passerotti hatte zwei Köpfe, Christus und Maria als Gegenstücke, auf Imperial- Folio geliefert. Man erachtete derartige Arbeiten wie z. B. jene des Goltzius als Geschenke für Könige würdig. Dieser Künstler griff, weil die Pergamente nicht mehr ausreichten, selbst zu präparierter, mit Ölfarbe grundierter Leinwand. Karel van Mander war von diesen Penwerken (die Italiener nannten sie sogar quadri) sehr begeistert und verschwendete viele Worte des Lobes. Er nennt Goltzius sogar den Monarch in haer (d. h. derFeder). Auch Willem van de Veldes Seegefechte wurden mit der Feder auf Leinwand ausgeführt und von seinem Sohne Willem d. J. en grisaille bemalt. Beide erhielten von dem englischen König Karl II. for making draughts of seafights . . . for putting the said draughts into colours jährlich 100 £/'
Kardinal Leopoldo de Medici bezahlte 1672 für die «Eroberung des Royal Prince» 500 fl.'
Eine hievon völlig verschiedene Beurteilung beanspruchen jene wenigen auf grundierter Leinwand mit der Feder gezeichneten Vorzeichnungen für Gemälde, wie z. B. jene Salv. Rosas in den Uffizien: «Der Eremit in der Wüste»
Nr. 19151/614, welche man als Cartoncini zu betrachten hat. Siehe Teil II Kartons.




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